Stellungnahme der Elterninitiative AdS e.V. zu Pressemeldungen über angebliche Gefahren der medikamentösen Behandlung von Kindern mit ADHS
Am 11. März 2002 machte eine dpa-Meldung über angebliche Gefahren der medikamentösen Behandlung von Kindern mit ADHS bundesweit in zahlreichen Zeitungen die Runde. Unter Berufung auf den Göttinger Neurobiologen Gerald Hüther wurde behauptet, dass die Einnahme von Medikamenten mit dem Wirkstoff Methylphenidat (Ritalin®, Medikinet®) zu Spätfolgen, wie zum Beispiel zur Parkinson-Krankheit, führen könne. Gleichzeitig wurde unter Berufung auf entsprechende Äußerungen der Bundesdrogenbeauftragten im Bundesgesundheitsministerium Marion Caspers-Merk, behauptet, Methylphenidat wende von deutschen Ärzten zu leichtfertig und vorschnell verordnet und angeblich häufig missbraucht. Dabei wird in vielen Zeitungsberichten bereits ein angeblich schwunghafter Ritalinhandel an deutschen Schulen onstatiert, häufig unter Hinweis, dass dies besonders in den Schulen der USA schon länger Gang und Gäbe sei.
Zur Behauptung von Gerald Hüther, Methylphenidat könne zu Spätfolgen führen, wie z.B. zur Parkinson-Krankheit, stellt der AdS e.V. folgendes fest: Prof. Hüther ist kein Kliniker und hat keine Erfahrungen in Diagnostik und Therapie von ADHS. Er ist Neurobiologe und somit auch fachlich nicht für die Diagnostik und Therapie von ADHS zuständig. Bei der öffentlich geäußerten Vermutung von Prof. Hüther, Methylphenidat könne Parkinson verursachen, räumt er selbst ein, dass es dafür keine Beweise gibt. Die Behauptungen von Prof. Hüther sind in der Fachwelt äußerst um stritten und worden sowohl von ADHS-kundigen Wissenschaftlern als auch von einschlägig erfahrenen und fachlich zuständigen Ärzten zum Teil heftig kritisiert. Bei der Studie, auf die sich Prof. Hüther bei seinen Behauptungen beruft, wurde bei fünf Ratten, denen Methylphenidat ab kurz nach deren Geburt in Überdosierung verab reicht wurde, eine nach der Pubertät verbleibende verringerte Innervationsdichte in einem bestimmten dopaminergen Bereich des Rattenhirns festgestellt. Dabei steht in der Fachwelt eindeutig überwiegende Einigkeit darüber, dass dieses Ergebnis nicht ohne weiteres auf den Menschen übertragbar ist, und es erst recht nicht die Schluss folgerung rechtfertigt, Methylphenidat könne beim Menschen Parkinson verursachen. Auch die in über sechzig Jahren der Behandlung von ADHS gesammelten Erfahrungen mit Medikamenten der Stimulanziengruppe, zu der Methylphenidat gehört, können die Thesen von Hüther nicht stützen, zumal kein einziger Fall bekannt ist, in dem die Behandlung mit Methylphenidat zu einer ParkInson-Erkrankung geführt hat.
Zu den Behauptungen der Bundesdrogenbeauftragten, Methylphenidat werde von deutschen Ärzten häufig zu leichtfertig und vorschnell verschrieben, stellt die Eltern-Initiative AdS e.V. fest, dass Ihr die von Ihr angeforderten Grundlagen und Nachweise von der Bundesdrogenbeauftragten Caspers-Merk rundweg verweigert wurden. Bei der Aufzählung von Ärzten tatsächlicher oder angeblich unzuständiger Fachgebiete, die Methylphenidat angeblich unzulässiger Weise verschrieben haben sollen, wurde nicht geprüft, ob es sich um Erstverschrelbungen oder Folgeverschreibungen nach Diagnosestellung durch fachlich zuständige, ADHS-kundige Ärzte handelte. Auch wurden die Einzelumstände nicht geprüft, sondern lediglich spekulative Schlussfolgerungen aus ungeprüften Statistiken gezogen. Bei dem Hinweis auf die rapide Zunahme der Methylphenidat-Verschreibungen seit Anfang der 90er Jahre wurde nicht geprüft, In welchem Umfang die Tatsache, dass diese Zunahme parallel zur Verbreitung einschlägiger Sachkunde in der deutschen Ärzteschaft verlief, für die Zunahme der Verschreibungen ursächlich ist. Dies vor dem Hintergrund, dass ADHS und dessen wirksame Therapie Anfang der 90er Jahre in der deutschen Ärzteschaft kaum bekannt war und sich die entsprechende Sachkunde In der Folgezeit stark zunehmend verbreitet hat. Die Bundesdrogenbeauftragte begründet Ihre veröffentlichte Besorgnis, Methylphenidat werde vorschnell und missbräuchlich verordnet, alleine mit der starken Zunahme der Verschreibungen sowie mit anekdotischen Berichten einzelner von Ihr ausgewählter Fachleute, deren Objektivität und Unbefängenheit von Ihr zwar unterstellt wird, die von der Elterninitiative AdS e.V. jedoch nicht unbedingt und in jedem Fall als gegeben angesehen worden können. insbesondere bemängelt die Elterninitiative, dass die gegenteiligen Angaben einschlägiger Experten, die die Meinung von Frau Caspers-Merk und der von Ihr bevorzugten Fachleute nicht teilen, bei deren einschlägigen Veröffentlichungen keine Berücksichtigung finden. Desweiteren bemängelt die Elterninitiative, dass Veröffentlichungen und Auskünfte der Bundesdrogenbeauftragten zum Verlauf und Ergebnis eines Expertengesprächs zur Verschreibung von Methylphenidat, das am 24.10.01 unter Leitung von Frau Caspers-Merk in Berlin stattfand, unzutreffend waren und so nicht haltbar sind. Eine entsprechende Beschwerde des am Expertengespräch teilnehmenden Vorsitzenden der Etterninitiative wurde von der Dienststelle der Bundesdrogenbeauftragten mit der Begründung brüsk zurückgewiesen, dass sich Frau Caspers-Merk und das Bundesgesundheitsministerium nicht zur Rechenschaft gegenüber der Elterninitiative AdS e.V. verpflichtet sehe. Obwohl sich die Vorsitzende des größten deutschen ADHS-Selbsthilfeverbandes, die ebenfalls am Expertengespräch teilnahm, der Beschwerde der Elterninitiative AdS e.V. schriftlich angeschlossen hatte, sehen weder die Bundesdrogenbeauftragte noch das Bundesgesundheitsministerium einen Anlass zum Einlenken. Andererseits berief sich die Bundesdrogenbeauftragte unzutreffender Weise darauf, dass die von Ihr veröffentIichten Ergebnisse des Expertengesprächs angeblich von allen Teilnehmern gemeinsam getragen worden seien, wobei ausdrücklich auch die teilnehmenden Elternvertreter mitbenannt wurden. Aufgrund dieses Gebarens der Bundesdrogenbeauftragten und das Bundesgesundheitsministeriums muss die Elterninitiative AdS e.V. davon ausgehen, dass die von den Elterninitiativen vertretenen Belange ADHS-betroffener Kinder bei den einschlägigen Veröffentlichungen, Entscheidungen und Maßnahmen des Bundesgesundheitsministeriums keine Rolle spielen, sondern andere Interessen zu deren Lasten und Schaden gefördert worden sollen.
Für die Behauptung der Bundesdrogenbeauftragten, mit Methylphenidat werde, ähnlich wie angeblich In den USA, inzwischen auch an deutschen Schulen Illegal gehandelt, ist Frau Caspers-Merk ebenfalls den Beweis schuldig geblieben und wurden der Elterninitiative AdS e.V. auch hierzu nähere Auskünfte verweigert. Auf den Hinweis der Elterninitiative auf eine durch ähnliche Behauptungen ausgelöste groß angelegte Untersuchung der zuständigen amerikanischen Bundesbehörde, deren Ergebnis von der Behörde am 14.09.01 mit einem 50-seitigen Bericht veröffentlicht wurde, reagierte die Bundesdrogenbeauftragte nicht. Die Untersuchung hatte ergeben, dass es an den landesweit repräsentativ befragten 1033 Sekundarschulen keinen "schwunghaften Handel mit Ritalin" gibt, wobei die Schulleiter berichtet hatten, dass nicht Ritalin sondern vielmehr Alkohol und Illegale Drogen ein wirkliches Problem an ihren Schulen darstelle. Obwohl ähnliche, in den amerikanischen Medien kolportierte Meldungen Anlass zur vom Rechtsausschuss des USRepräsentantenhauses ausgelösten Untersuchung gaben, sah die Bundesdrogenbeauftragte weder Anlass, Ihre Behauptung zu überprüfen, noch der Elterninitiative nähere Auskünfte zu deren Grundlagen zu geben.
Deutschsprachige Zusammenfassung des Untersuchungsergebnisses mit Link zum Originaluntersuchungsbericht, siehe www.adhs.ch/add/add/schulhofdroge.htm.
Michael Towson. 1, Vorsitzender, AdS e.V., Ebersbach.